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4 Tage im März 1945

Odenwälder Zeitung | WESCHTAL | 02.04.2019

Seite 12

 

Geschichte: Heiko Lorenzen beleuchtet die letzten Kriegstage im Ried und im Weschnitztal

Vier Tage im März 1945

 

 

Voll besetzt war der Raum in der Alten Schule von Bonsweiher beim Vortrag von Heiko Lorenzen. Bild: Philipp Reimer

Der Vorsitzende des Kultur- und Museumsvereins (KuM) Bonsweiher, Heiko Lorenzen, hielt einen Vortrag über den Vormarsch der US-Truppen bis in das Weschnitztal. Der Vortragsraum in der Alten Schule war bis auf den letzten Platz gefühlt.

Bevor Lorenzen über den Vormarsch der Amerikaner in Südhessen sprach, ging er auf die Vorgeschichte ein. Mit zitternder Stimme berichtete über die Bombardierung seiner Heimatstadt Hamburg durch die die Bomberflotten von US Air Force und Royal Air Force 1943, bei denen Zehntausende Hamburger ums Leben gekommen waren, darunter fast seine gesamte Familie. Er schilderte den schrecklichen Feuersturm, der in der Stadt in der Nacht vom 27. auf den 28. Juli 1943 tobte und dessen Windgeschwindigkeit Orkanstärke erreichte. Seine Tante und sein achtjähriger Cousin waren die einzigen dort lebenden Familienangehörigen, die mit viel Glück im Unglück die Bombenangriffe überlebten.

Befreiung durch US-Truppen

Lorenzen machte jedoch deutlich, dass der totale Luftkrieg ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung nicht von den Alliierten, sondern von den Deutschen begonnen wurde. Er erinnerte an die Bombardierung der spanischen Stadt Guernica durch die deutsche Legion Condor 1937 im spanischen Bürgerkrieg zur Unterstützung des späteren spanischen faschistischen Diktators Franco sowie an die Bombardierung Londons und Coventrys im Zweiten Weltkrieg durch die deutsche Luftwaffe.

Den alliierten Einmarsch in Deutschland bezeichnete er ganz selbstverständlich als „Befreiung“ vom Nazi-Regime. Eindrücklich schilderte der Referent auch die Landung der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944. Vor allem an dem von den Amerikanern „Omaha Beach“ genannten Küstenabschnitt mit seinen hohen Steilküsten erlitten die Landungstruppen schwere Verluste, weil es weder Luftwaffe, noch Schiffsartillerie gelungen war, die deutschen MG-Nester dort auszuschalten.

Über die Juhöhe in den Odenwald

Neun Monate vergingen, bis sich die Alliierten von der Normandie bis an den Rhein vorgekämpft hatten. Der exzentrische US-General habe, so Lorenzen, die Rheinüberquerung bei Oppenheim zum Anlass genommen, um in den „deutschen Schicksalsstrom“ zu urinieren. Von Worms aus drangen die Amerikaner ab dem 26. März Richtung Odenwald vor.

Die deutsche Armee hatte bei Biblis einen Flughafen eingerichtet, von dem aus der Strahlenjäger Me 262 startete – aber angesichts der massiven Überlegenheit der Alliierten konnte auch diese sogenannte „Wunderwaffe“ wenig ausrichten. Die örtlichen deutschen Truppen, deren Kommandostand sich in Lindenfels befand, bestanden zu großen Teilen nur noch aus Volkssturmeinheiten. Binnen weniger Tage erreichten US-Truppen die Bergstraße. Lorenzen zeigte Bilder und Filmaufnahmen, die Kämpfe von Worms bis Heppenheim und Bensheim dokumentierten.

Vom 27. März an drangen amerikanische Einheiten von Heppenheim, Laudenbach und Hemsbach in den Odenwald vor, nicht aber über Weinheim. Dabei wurde Bonsweiher mit Granaten schwer beschossen. Bei Heppenheim-Erbach trafen die Amerikaner auf Widerstand in Form eines MG-Nests, das von Hitlerjungen gehalten, aber sofort zerstört wurde. Ein deutscher Panzer auf der Juhöhe wurde ebenfalls rasch von den Amerikanern zerstört.

Geschütze in Mörlenbach

Von der Juhöhe aus rückten um 3 Uhr morgens amerikanische Soldaten in Bonsweiher ein. Besonderen Eindruck machten afroamerikanische Soldaten auf die örtliche Bevölkerung, die sich, entgegen der Nazi-Propaganda, keineswegs grausam verhielten. In Mörlenbach waren von der Wehrmacht an der Schutzmühle und am Friedhof Geschütze installiert worden. Das Geschütz an der Schutzmühle konnte jedoch noch abgezogen werden, bevor die Amerikaner das Gebäude zerstörten. Der Ort wurde noch am selben Tag besetzt.

Während des Vormarschs der Amerikaner wurde im Tunnel auf der Bahnstrecke nach Wald-Michelbach bei Weiher ein Güterzug der Wehrmacht zerstört, allerdings nicht durch die Alliierten, sondern versehentlich durch die Wachmannschaft. 

Zu den letzten Opfern des Krieges in der Region gehörte Jakob Gramlich aus Bonsweiher, der am 24. März von der Gestapo zusammen mit elf anderen Deutschen und amerikanischen Kriegsgefangenen auf dem Kirchberg bei Bensheim im Rahmen der „Kirchbergmorde“ erschossen wurde. Ein letzter Terrorakt der NS-Diktatur in der Region, mit dem diejenigen bestraft werden sollten, die sich weigerten, dem Regime bis zum Untergang zu folgen. pas

 

 

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