Presse

Lebendige Geschichte

Weschnitz-Blitz Nr 122 März 2019

Lebendige Geschichte

Es ist ein Glück für die lebendige Bewahrung unserer Regionalgeschichte, dass Heiko Lorenzen doch nicht Kapitän auf großer Fahrt geworden ist.


Heiko Lorenzen am Arbeitsplatz

(kw) Heiko Lorenzen ist 1937 in Hamburg als Sohn eines Kapitäns zur See geboren. Die Familie überlebte den zweiten Weltkrieg, weil sie in den Sudetengau landverschickt wurden. Nach Kriegsende machte sie sich zu Fuß auf den Heimweg und kam nach großen Strapazen wieder in Hamburg an. Die entbehrungsreiche Nachkriegszeit erlebte Heiko Lorenzen auch als Zeit der großen Freiheit, das Spielen in den Trümmerhalden und die umfangreichen Tauschgeschäfte waren spannend und voller Abenteuer. Beruflich wollte er sich auf den Spuren seines Vaters entwickeln und zur See fahren. So machte er eine Ausbildung zum Schiffs-Ingenieur, was von ihm verlangte, dass er auch zur See fuhr.


In den dreieinhalb Jahren auf See durchfuhr er den Panama- und den Suezkanal und war trotz seines jugendlichen Alters für das einwandfreie Funktionieren der Schiffstechnik zuständig, was damals zu Beispiel auch das eigenständige Anfertigen von Ersatzteilen mit Fräse und Drehbank bedeutete. Die deutsche Seefahrt war ihm damals noch zu kommissmäßig ausgerichtet, weswegen er unter schwedischer Flagge anheuerte. Allerdings war ihm nach der Zeit auch klar, dass das Leben eines Seemanns und das Führen einer Ehe nicht gut miteinander zu vereinbaren waren. Also veränderte er seine Berufsplanung und wurde Maschinenbau-Ingenieur für landgestützte Technik. Dieser Beruf brachte ihm eine Anstellung bei der BBC in Mannheim und so verlegte er 1968 seinen Lebensmittelpunkt von der Waterkant in den Odenwald, wo er in Bonsweiher landete und dort für sich und seine Familie ein Haus baute. Als Handballspieler und Sänger war er in den dortigen Vereinen sehr willkommen und lebte sich bald in der neuen Heimat ein. Beruflich ergab sich für Heiko Lorenzen bald die Möglichkeit, den Schritt vom Detail-Konstrukteur zu übergeordneten Tätigkeiten zu machen und dabei fand er sein eigentliches „Ding“, was ihn bis heute begleitet: Nämlich die Planung von komplexen Prozessen, was ihn zum Projekt-Koordinator diverser Engineering-Aufgaben machte. Als er sich dann mit 58 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand verabschieden konnte, lies er die Fähigkeit nicht am Arbeitsplatz zurück, sondern wendet sie heute noch an, um seine Projekte in die Welt zu bringen. Und diese Projekte kreisen um sein anderes Faible: Die Geschichte. Bald nach dem Umzug nach Bonsweiher begann er gemeinsam mit seinem Freund Walter Winkler Geschichtsdaten zur Ortsgeschichte zu sammeln. Dabei konnte Heiko Lorenzen auch noch ein weiteres Hobby von sich ausleben, nämlich die Filmerei. Eines der ersten Projekte war ein 45-minütiger Dokumentarfilm über die 3 Mühlen am Ederbach, in den zum Beispiel Interviews mit dem fast 90-jährigen Müller Mader mit einflossen. Hier schon wird deutlich, dass im Fokus seiner Arbeit nicht das reine Sammeln von Daten und Exponaten stand, sondern immer das immaterielle Kulturgut, das lebendige Vermitteln des Umfeldes einer geschichtlichen Situation. Als dann im Zuge der Dorferneuerung die Renovierung der alten Schule von Bonsweiher anstand, sah Heiko Lorenzen sofort das Potential in dem Projekt: Ein Museumsraum sollte entstehen. Mittlerweile sind aus dem einen Raum fünf Räume in dem sorgfältig renovierten Gebäude geworden, die der Kultur- und Museumsverein in Bonsweiher betreut. Der forschende Geist von Heiko Lorenzen hat sein Archiv wachsen lassen, so sind die Geschichtsblätter des Kreises Bergstraße ihm eine wichtige Quelle. Er gibt sich aber nicht damit zufrieden, die Quelle zu besitzen, sondern wertet die Inhalte aus und sortiert sie entlang diverser Themenstränge neu. Als Ergebnis der Quellenforschung und Verknüpfung entsteht dann eine Power-Point-Präsentation, die mit wirkungsvollem Bild- und Kartenmaterial seinen lebendigen Vortrag unterstützt. Inzwischen gibt es einen reichen Themenfundus an Vorträgen rund um die Geschichte des Weschnitztales. Steinzeitliche Funde in unserer Gegend werden behandelt, die Schnurkeramiker, die die Hügelgräber auf der Juhöhe hinterlassen haben, in den entwicklungsgeschichtlichen Hintergrund eingepasst. Was aus dem Lorscher Kodex über das Weschnitztal herauszulesen ist, wird thematisiert, ebenso das traditionelle Berufsbild der Steinhauerei. Natürlich wird auch die Firma Freudenberg als wichtiger Arbeitsgeber in unserer Region behandelt. Das Dorfmuseum selbst entwickelt sich immer mehr zu einem lebendigen Vermittlungsort für die Vergangenheit in unserer Region und beschränkt sich nicht mehr auf Bonsweiher. Das wird besonders deutlich an dem neuesten Projekt, das dem Zirkus Sarrasani einen multimedialen Raum widmet. Hier dürfen wir gespannt sein, wie dieser bunte Fleck in der Mörlenbacher Geschichte uns nahegebracht wird, wir werden auf die Eröffnung des neuen Raumes gerne hinweisen. Wer sich für Regionalgeschichte interessiert, wird auch von Heiko Lorenzens Vortrag über die vier Tage im März 1945 begeistert sein. In dieser Zeit befreiten die aliierten Streitkräfte den Odenwald von der Naziherrschaft. Militärgeschichtlich exakt werden die Truppenbewegungen und Vormarschrouten nachgezeichnet, die „Wunderwaffen“-Funktion des Militärflugplatzes in Biblis genauer erläutert und auch großräumige politische Verquickungen bis hin zur Legion Condor bleiben nicht außen vor. Bei dem Vortrag, der neben historischen Quellenmaterial auch auf eigenen Interviews mit Zeitzeugen basiert, kann man exemplarisch erleben, wie abstraktes Wissen um geschichtliche Sachverhalte zu einer lebendigen Vorstellung von der nicht allzufernen Vergangenheit werden kann.

Freitag, 24. März, 19:00 Uhr, Alte Schule

Edertalstrasse 48, Bonsweiher

 


Das Bild wurde im Frühjahr 1945 in Mörlenbach aufgenommen. Es zeigt
Frau Christa Winkler geb. Laier mit ihrem Bruder Siegfried und einem
unbekannten GI.
Bild aus dem Archiv: Lorenzen/Winkler

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E-Mail: schuetz(at)kum-bonsweiher.de

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